„Nordhorn ist am Zug“

392018_SK-Bahnhof-1551_IDie seit Jahrzehnten vom Schienenpersonennahverkehr (SPNV) abgehängte Stadt Nordhorn nutzt weiterhin jede Chance, um mittelfristig wieder an das Bahnnetz angeschlossen zu werden. Einmütig hat sich dazu jetzt der Nordhorner Rat in seiner Sitzung am Donnerstagabend hinter die Resolution des Euregio-Rates gestellt, mit dem der grenzüberschreitende Kommunalverband vom Land Niedersachsen die Anbindung der Stadt Nordhorn an die neue Nahverkehrsverbindung Hengelo-Oldenzaal-Bad Bentheim fordert. Von Thomas Kriegisch – Nordhorn. Im Rahmen seiner Resolution hatte der Euregio-Rat im Dezember 2010 das Land dazu aufgerufen, die erforderlichen Schritte zu ergreifen, um die grenzüberschreitende Regionalzugverbindung Hengelo-Bad Bentheim dauerhaft zu sichern und dabei die Stadt Nordhorn anzuschließen. Seit 1974 ist der Bahnhof der 54000 Einwohner zählenden Kreisstadt Nordhorn vom Schienen-Personenverkehrsnetz abgekoppelt. Im Zuge des immer stärker zusammenwachsenden deutsch-niederländischen Wirtschaftsraumes hat sich Nordhorn jedoch mittlerweile zu einem wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Mittelzentrum entwickelt, dessen fehlende Schienenverkehrsanbindung negative volkswirtschaftliche Auswirkungen auf die Entwicklung der gesamten Grenzregion befürchten lassen. Das war mit ein wesentlicher Grund für den Appell des Euregio-Rates an das Land. Resolution des Euregio-Rats: „Die fehlende Anbindung der Stadt Nordhorn an den Schienenpersonennahverkehr beeinträchtigt auch das Zusammenwachsen der Grenzregion“, kritisierte der Euregio-Rat: „Über den Bahnhof Bad Bentheim bekäme Nordhorn nicht nur den schon aus sich heraus einsichtigen Anschluss in Richtung Rheine weiter nach Münster bzw. Osnabrück-Hannover, sondern auch den Anschluss an die Netwerstad Twente.“ Im Zuge der sich verdichtenden regional-wirtschaftlichen Verflechtungen gewinne der als Netwerkstad Twente bezeichnete Ballungsraum der Städte Enschede, Hengelo und Oldenzaal immer mehr oberzentrale Bedeutung für das hinter der Grenze gelegene Umland auf deutscher Seite. Die oberzentrale Funktion für das deutsche Umland zeige sich besonders im Bereich der Hochschulen und Bildung. Für den Nordhorner Rat ist allein schon die Tatsache, dass Nordhorn nach Herten die zweitgrößte deutsche Stadt und die einzige Kreisstadt in Niedersachsen ohne Schienenpersonennahverkehr ist, nicht weiter zu akzeptieren â€" zumal die Infrastruktur von der Bentheimer Eisenbahn weiterhin genutzt wird und die Gleise, auf denen 1974 der Personenverkehr eingestellt wurde, heute immer noch liegen und regelmäßig von Güterzügen befahren werden. Allein für Nordhorn stelle diese Abkopplung einen großen Standortnachteil dar. „Nordhorn ist am Zug“, heißt der auch vom Umland unterstützte Slogan, mit dem die Stadt wieder die Personenzüge auf ihre toten Gleise bringen will. Entwicklung des Wirtschaftsraums: Die Wachstumsmöglichkeiten Nordhorns, des Landkreises Grafschaft Bentheim und der gesamten deutsch-niederländischen Grenzregion werden aus Sicht der Ratspolitik durch den fehlenden Bahnanschluss stark gehemmt und benachteiligt. Zurückgewiesen wird vor diesem Hintergrund das Gutachten der zuständigen Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG), das vor allem aus betriebswirtschaftlicher Sicht den Anschluss an den SPNV ablehnt, keinen finanziellen Spielraum für Reaktivierungen in ihrem Verantwortungsbereich sieht und stattdessen auf die Verbindung der niedersächsischen Großstädte mit schnellen Nahverkehrslinien setzt. Eine Erweiterung in der Flächenerschließung wird von der LNVG nicht weiter verfolgt, obwohl aus Sicht der Kritiker andere Flächenländer wie Rheinland-Pfalz dadurch wesentlich mehr Fahrgäste für die Schiene gewinnen konnten als Niedersachsen. Auch der Euregio-Rat geht in seiner Resolution davon aus, dass das Regionalzugangebot im stärkeren Maße als prognostiziert in Anspruch genommen werden würde und verweist auf die Erfahrungen aus dem Betrieb der Schienenstrecke Enschede-Gronau. Dort liegen den Angaben zufolge die Fahrgastzahlen heute bei fast 2000 Passagieren pro Werktag â€" fast doppelt so hoch wie Ende der 1990er Jahre angenommen. An der Haltung der LNVG wird vom Rat vor allem kritisiert, dass sie sich vorwiegend an dem prognostizierten Fahrgastaufkommen und den daraus resultierenden betriebswirtschaftlichen Aspekten orientiert. Außer Acht gelassen werde dabei jedoch der bedeutende volkswirtschaftliche Gewinn und auch der ökologische Nutzen für den gesamten deutsch-niederländischen Wirtschaftsraum und Arbeitsmarkt, den eine Anbindung Nordhorns an den SPNV bringen würde. Neues Gutachten: Bei seinen Bemühungen um den SPNV setzt der Nordhorner Rat nun neue Hoffnungen auf ein erwartetes Gutachten der Nord LB, das sich vornehmlich mit den Auswirkungen des fehlenden Bahnanschlusses und den Perspektiven einer Reaktivierung des SPNV für den Wirtschaftsraum beschäftigt. Wie Stadtbaurat Lothar Schreinemacher dazu berichtete, werden in dem Gutachten die wirtschaftlichen Wachstumschancen der Region durch den Schienenverkehr beleuchtet. Weitere Anbindung an Verkehrsknotenpunkte: Um aus einer Anbindung an den SPNV einen möglichst großen ökonomischen Nutzen für den Wirtschaftsraum zu erzielen, kann aus Sicht von Bürgermeister Meinhard Hüsemann der Anschluss an die Städteverbindung Hengelo-Bad Bentheim nur ein Anfang sein. Ziel müsse es bleiben, mit den Verkehrsknotenpunkten Rheine oder Osnabrück vernetzt zu werden. Hüsemann erinnerte daran, dass es sogar in Coevorden mittlerweile ein wachsendes Interesse daran gibt, mit einer Bahnverbindung über die Niedergrafschaft und Nordhorn den Anschluss an den Fernverkehr nach Berlin zu finden. Somit würden auch die Niedergrafschafter als „Freunde mit im Zug sitzen“, meinte Hüsemann. Gewisse „Bremsklötze“ für die Nordhorner und Niedergrafschafter Interessen an einem Bahnanschluss will er aber nicht nur in der LNVG, sondern auch in den eigenen Grafschafter Reihen ausgemacht haben. Vor diesem Hintergrund appellierte Hüsemann an die Obergrafschafter Politiker: „Steigt ein in den Zug, das ist nicht nur für Nordhorn, sondern für die gesamte Region wichtig.“ Schulterschluss: Grundsätzlich geht der Rat davon aus, dass sich der gewünschte Bahnanschluss nur über einen längeren Zeitraum realisieren lassen wird. Es wurde davor gewarnt, das Thema SPNV nicht nur im Kommunalwahlkampf hoch zu halten, sondern ernsthaft und konsequent weiter zu verfolgen. Da gegenwärtig das Zeitfenster für das Erreichen des großen Ziels weit offen stehe, müssten alle Chancen wie etwa die Euregio-Resolution beim Schopfe gefasst und nach wie vor im gemeinsamen Schulterschluss mit dem Landkreis, den Grafschafter Landtagsabgeordneten und der Geschäftsführung der Bentheimer Eisenbahn vorgegangen werden.

GN-Online.de vom 19.2.11